Freitag 22. August 2003

Gift am Groß-Glienicker See

Unbekannte verseuchten erneut Bäume am Ufer - 40 Fässer mit Chemikalien in Köpenick entdeckt

Von Matthias Berner und Dirk Banse

Erneut Gift im Groß-Glienicker See: Mitarbeiter des Gesundheitsamtes Potsdam-Mittelmark entdeckten am Montag bei der Entnahme von Bodenproben neue Giftpfützen. Bereits vor einem Monat hatten Unbekannte in Groß-Glienicke am Ufer des Badesees einen hochgiftigen Cocktail auf einer Länge von rund 50 Metern an den Wurzeln von Erlen und Robinien verschüttet.

Noch fehlt von den Tätern jede Spur. Zum möglichen Motiv sagte gestern der Leiter des für Umweltdelikte zuständigen Ersten Kommissariats, Klaus Rittweger: "Es gibt viele Leute, die ein Interesse an einem freien Blick auf den See haben könnten, den die Bäume verstellen." Obwohl der verschüttete Gift-Cocktail für Menschen (und Bäume) gefährlich ist und eine hohe Konzentration von Dioxin aufweist, ist eine Gefährdung der Wasserqualität nach Ansicht von Experten der zahlreichen beteiligten Behörden sehr gering.

Bei der Tätersuche konzentrieren sich die Ermittler auf den Morgen des 29. Juli, dem Tag des ersten Vorfalls. Eine Anwohnerin hatte gegen 9 Uhr zwei Männer beobachtet, die sich auffällig verhielten. Einer soll etwa 35 Jahre alt sein und weißblondes, schulterlanges Haar haben. Er habe nach Aussage der Zeugin auf einem verfallenen Steg gehockt.

Der zweite Mann soll mit einem Boot unterwegs gewesen und etwa 60 Jahre alt sein. Er sei mit einer Jeansjacke und einem Basecap bekleidet gewesen. Bei der Chemikalie soll es sich um das 1985 in der DDR verbotenen Herbizid "Selekt" handeln, das in Dieselöl aufgelöst wurde.

Nun wird auch Kritik an der Fällung von rund 20 Uferbäumen und der Totalsperrung des Sees für eine Woche laut. Die Badewarnung sei nur für den Tatort gewesen, die Sperrung des ganzen Sees war völlig überzogen, so eine Behördensprecherin. Die Spandauer und Berliner Behörden hätten völlig überreagiert. Die Baumfällungen seien unnötig gewesen, monieren Mitarbeiter von verschiedenen Fachdienststellen. Dies sei im Sinne der Täter gewesen, meinte eine Anwohnerin. "Die Bäume sind weg. Das ist nicht die erste Badestelle, die so geschaffen wurde." Bei den meisten Bäumen am Seeufer ist die Rinde abgeschabt.

Aber nicht nur am Groß-Glienicker See waren Umweltverschmutzer am Werk. Ein Förster entdeckte am Mittwochnachmittag am Müggelheimer Damm in Köpenick 40 Fässer mit Chemikalien, die ein Volumen von ein bis 100 Liter haben. Die Feuerwehr wurde angefordert, die die Fässer der Berliner Stadtreinigung übergab.

Die Kriminalpolizei untersucht nun den Inhalt der Fässer, welche Gefahr für die Umwelt von den Chemikalien ausgeht. Die Polizei glaubt, dass die Fässer in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch dort abgelegt worden seien.